Für eine solidarische Gesellschaft
Als Teil einer emanzipatorischen Linken denken wir, dass es allein nicht reicht, sich mit rückschrittlichen politischen Positionen zu befassen. Es gilt eine progressive und solidarische Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse zu entwickeln und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn das, was in der Corona-Krise als problematisch wahrgenommen wurde, ist in der Struktur und im Normalzustand dieser Gesellschaft angelegt. Dabei wollen wir explizit die Form von vermeintlicher Solidarität kritisieren, die sich vielfach in staatlicher Rhetorik während der Covid19-Pandemie wiederfindet. Die vermeintliche nationale Solidarität, auf die sich dabei bezogen wird, bleibt eine Illusion, die echte Herrschaftsverhältnisse verschleiert.
Wir müssen aufzeigen, dass Gesundheit und Verwertungszwang grundsätzlich im Widerspruch zueinander stehen. Denn das Gesundheitssystem im Kapitalismus ist kein Selbstzweck an sich und dient hauptsächlich dazu Menschen wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Das Gesundheitssystem war deshalb nicht auf eine Pandemie vorbereitet. Erst durch eine solche Zielorientierung konnten Kosten in dem Umfang minimiert und Profite maximiert werden, was schließlich zu einer Unterfinanzierung und Privatisierung der Krankenhäuser geführt hat.
Des weiteren verlangt der Kapitalismus nach einem stetigen Wachstum des abstrakten Reichtums: Deshalb waren einerseits vor allem Frauen doppelter Belastung durch unbezahlte Care-Arbeit ausgesetzt – denn sie arbeiten überdurchschnittlich oft in sog. „systemrelevanten“ Berufen, und sie sind es meist, die sich um Hausarbeit und Kinder kümmern. Andererseits mussten Arbeiter*innen auch in nicht notwendigen Bereichen weiter arbeiten und waren unnötigen Ansteckungsrisiken ausgesetzt. In Deutschland fanden die größten Corona-Paryts in Großraumbüros, Amazon-Centern und in den Betrieben statt, in denen vor allem nicht-deutsche Staatsbürger*innen arbeiten wie etwa Spargelfelder und Fleischindustrie. Denn wenn die Produktion eingeschränkt wird, bedeutet dies direkt eine Krise. Liberale Stimmen aus Politik und Wirtschaft forderten deshalb, den Lockdown möglichst schnell zu beenden. Es war ihnen lieber, dass Menschen sterben, als dass die Wirtschaft schaden nimmt. Mit der 2. Welle könnte eine ähnliche Situation bevorstehen.
Auch ist es den Forderungen nach Auflösung der Geflüchtetenunterkünfte und Schaffung von dezentraler Unterbringung für Geflüchtete und Wohnungslose nicht nachgegangen worden, es gab gar einen Aufnahmestopp trotz der verheerenden Situation an der türkisch-griechischen Grenze: Wenn Menschen keine Wohnung haben, können sie schlecht dem Aufruf #stayathome folgen. Auch Geflüchtete in Massenunterkünften blieben unnötigen Infektionsrisiken ausgesetzt. Dass gleichzeitig Wohnungen und Hotelzimmer leerstehen, zeigt nicht nur in Zeiten von Corona die tödlichen Folgen von Kapitalismus. Kollektive Aktionen wie #besetzen in Berlin zeigen jedoch, dass es auch anders geht: dort wurden in März von Kleingruppen Wohnungen besetzt, um sie Wohnungslosen zur Verfügung zu stellen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: die Chance nach einer Veränderung muss man selbst hervorbringen – mit einer Selbstorganisation von unten als Gegenmacht zum Kapitalismus und Staat. Die aktuelle Situation bedeutet für uns also: solidarische Strukturen aufbauen und stärken.
Für eine solidarische Gesellschaft und demokratische Autonomie!